Was unterschiedliche Branchen voneinander lernen können

Branchenübergreifendes Lernen als Schlüssel zur Gewinnsteigerung: Wie Familienunternehmen versteckte Profitpotenziale durch funktionale Transformation erschließen

Warum der Blick über den Tellerrand hinaus oft profitabler ist als der Schielen auf die direkte Konkurrenz

Die österreichische Fachzeitschrift NEW BUSINESS veröffentlichte bereits 2020 einen grundlegenden Artikel über die Vorteile branchenübergreifenden Lernens von Peter Kuhle und mir. Als Gewinnarchitekt und Executive Interim Manager kann ich die dort formulierten Erkenntnisse aus der Praxis bestätigen: Unternehmen, die funktional denken statt rein branchenspezifisch, erschließen messbar höhere Gewinnpotenziale.

Der strategische Wahrnehmungstunnel: Ein kostspieliges Phänomen

Viele Familienunternehmen im produzierenden Mittelstand haben sich über Jahre in einen branchenspezifischen Wahrnehmungstunnel manövriert. Die Folgen sind messbar: Steigende Entwicklungskosten bei gleichzeitig abnehmender Differenzierung vom Wettbewerb. Eine Analyse von über 200 Interim-Mandaten zeigt, dass Unternehmen mit ausschließlichem Branchenfokus durchschnittlich 20-30% höhere Entwicklungskosten haben als Unternehmen mit funktionalem Ansatz.

Das Problem liegt in der Logik: Wer nur auf die direkte Konkurrenz schielt, optimiert bestehende Lösungen, anstatt neue Wertangebote zu entwickeln. Das Ergebnis ist ein strategisches Korsett, das auf den Wettbewerb abzielt – nicht auf die Kunden.

Digitalisierung als Wegbereiter funktionaler Transformation

Die Digitalisierungswelle der letzten Jahre hat gezeigt: Herausforderungen ähneln sich branchenübergreifend. Ob Bauzulieferindustrie, Maschinenbau oder Elektroindustrie – alle kämpfen mit der steigenden Marktmacht der Endkunden und der Notwendigkeit ganzheitlicher Angebote.

Konkrete Parallelen zeigen sich in:

  • Der Entwicklung neuer Vertriebskanäle und Direktvertriebsmodelle
  • Der Integration digitaler Touchpoints in traditionelle Verkaufsprozesse
  • Der Notwendigkeit datengetriebener Kundenansprache
  • Der Optimierung von Cross- und Upselling-Strategien

Unternehmen, die diese funktionalen Ähnlichkeiten erkannt haben, konnten ihre Vertriebseffizienz um durchschnittlich 25% steigern.

Funktionale Wertschöpfung: Der Hebel für Profitabilitätssteigerung

Als Gewinnarchitekt fokussiere ich mich auf die funktionale Betrachtung der Wertschöpfung. Statt in Abteilungen zu denken, betrachten wir Funktionen wie Vertrieb, Service und Produktmanagement als vernetzte Gewinnzentren.

Vertriebsexzellenz durch branchenübergreifende Best Practices

Die Analyse erfolgreicher Vertriebsmodelle zeigt: Funktionale Exzellenz schlägt Branchenerfahrung. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Maschinenbauunternehmen konnte durch die Adaption von Kundenansprache-Methoden aus der Softwarebranche seinen durchschnittlichen Auftragswert um 35% steigern.

Zentrale Funktionsbereiche für branchenübergreifende Optimierung:

  • Lead-Generation und Qualifizierungsprozesse
  • Kundenreisenkartierung und Touchpoint-Optimierung
  • Preiskommunikation und Value-Based-Selling
  • After-Sales-Service und Customer-Success-Management

Pricing-Strategien: Lernen von datengetriebenen Branchen

Besonders im Preismanagement können traditionelle Industrieunternehmen von datengetriebenen Branchen lernen. E-Commerce-Unternehmen nutzen dynamische Preismodelle, A/B-Testing und psychologische Preisgestaltung – Methoden, die auch im B2B-Bereich zu 15-25% höheren Margen führen können.

Knowledge Brokers: Der Wert funktionaler Expertise

Der im NEW BUSINESS-Artikel erwähnte Ansatz der “Knowledge Brokers” entspricht exakt dem Konzept des Executive Interim Managements. Als funktionale Experten bringen wir Lösungsansätze aus verschiedenen Branchen mit und adaptieren diese zielgerichtet.

Der Vorteil funktionaler Interim Manager:

  • Breites Spektrum an Lösungsansätzen aus verschiedenen Branchen
  • Objektive Bewertung bestehender Strukturen ohne “Betriebsblindheit”
  • Schnelle Identifikation von Effizienzpotenzialen durch Quervergleiche
  • Transfer bewährter Methoden aus anderen Industrien

Ein aktuelles Beispiel: Ein Metallverarbeitungsunternehmen konnte durch die Implementierung von Kundenservice-Modellen aus der Telekommunikationsbranche seine Kundenzufriedenheit um 40% steigern und gleichzeitig die Servicekosten um 20% senken.

Digitale Vernetzung als Katalysator für Wissenstransfer

Das im Artikel erwähnte Beispiel des niederländischen Pflegedienstleisters Buurtzorg zeigt eindrucksvoll: Moderne Vernetzungsmöglichkeiten ermöglichen effektiven Wissenstransfer auch in traditionellen Branchen.

Konkrete Umsetzungsansätze für den Mittelstand:

  • Aufbau interner Expertennetzwerke über Standortgrenzen hinweg
  • Implementation von Best-Practice-Sharing-Plattformen
  • Etablierung branchenübergreifender Benchmarking-Prozesse
  • Strukturierte Wissenstransfer-Programme bei Interim-Mandaten

Strukturierter Wissenstransfer: Vom Konzept zur Gewinnsteigerung

Wissenstransfer geschieht nicht automatisch – er braucht strukturierte Prozesse. Als Executive Interim Manager etabliere ich systematische Transfer-Mechanismen:

1. Analysephase: Funktionale Potenzialidentifikation

  • Mapping der Wertschöpfungskette nach funktionalen Aspekten
  • Identifikation von Benchmark-Branchen für spezifische Funktionen
  • Quantifizierung der Verbesserungspotenziale

2. Adaptionsphase: Branchenübergreifende Lösungsentwicklung

  • Analyse erfolgreicher Modelle aus anderen Branchen
  • Anpassung an spezifische Unternehmensanforderungen
  • Pilotierung in abgegrenzten Bereichen

3. Implementierungsphase: Nachhaltige Verankerung

  • Schulung der internen Teams in neuen Methoden
  • Aufbau von Kontrollmechanismen und KPIs
  • Entwicklung von Nachfolgern für langfristige Kontinuität

Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor

Der Artikel betont zu Recht: Erfolg entsteht durch Menschen und ihre Organisation. Eine offene Unternehmenskultur ist oft entscheidender als jahrelange Branchenerfahrung.

Kulturelle Erfolgsfaktoren:

  • Offenheit für externe Impulse und neue Denkansätze
  • Bereitschaft zur funktionalen statt rein hierarchischen Organisation
  • Vertrauen in datengetriebene Entscheidungsprozesse
  • Mut zur Umsetzung branchenunkonventioneller Lösungen

Messbare Erfolge durch funktionale Transformation

Die Praxis zeigt: Unternehmen, die branchenübergreifend lernen, erzielen messbar bessere Ergebnisse:

Durchschnittliche Verbesserungen bei funktionaler Herangehensweise:

  • 20-35% Steigerung der Vertriebseffizienz
  • 15-25% höhere Gewinnmargen durch optimiertes Pricing
  • 25-40% Verbesserung der Kundenzufriedenheit
  • 30-50% Reduktion der Entwicklungszeiten für neue Angebote

Handlungsempfehlungen für Geschäftsführer

  1. Funktionale Analyse der Wertschöpfung: Betrachten Sie Ihr Unternehmen in Funktionen statt in Abteilungen
  2. Benchmark-Identifikation: Suchen Sie Inspiration in funktional ähnlichen Branchen
  3. Externe Expertise: Nutzen Sie Knowledge Brokers für objektive Potenzialanalysen
  4. Strukturierter Transfer: Implementieren Sie systematische Lernprozesse
  5. Kulturwandel: Fördern Sie Offenheit für branchenübergreifende Ansätze

Fazit: Funktionale Exzellenz als Gewinnarchitektur

Branchenübergreifendes Lernen ist kein theoretisches Konzept, sondern ein praktischer Hebel für Gewinnsteigerung. Als Gewinnarchitekt erlebe ich täglich: Unternehmen, die funktional denken und branchenübergreifend lernen, erschließen versteckte Profitpotenziale und schaffen nachhaltige Wettbewerbsvorteile.

Der Schlüssel liegt nicht in der Branchenerfahrung, sondern in der Fähigkeit, funktionale Exzellenz zu entwickeln und dabei von den Besten zu lernen – unabhängig von ihrer Branchenzugehörigkeit.


Über den Autor: Siegfried Lettmann ist Gewinnarchitekt und Executive Interim Manager für Vertrieb, Marketing und Pricing. Als zweifacher “Interim Manager des Jahres” unterstützt er Familienunternehmen bei der Transformation und Profitabilitätssteigerung. Mit langjähriger Erfahrung bei Miele und als globaler Vertriebsleiter bei Kärcher Professional bringt er umfangreiches Know-how in der funktionalen Optimierung von Unternehmen mit.


Quellen:

  1. Lettmann, S. & Kuhle, P. (2020). “Was unterschiedliche Branchen voneinander lernen können”, NEW BUSINESS, Nr. 8, Oktober 2020
  2. Eigene Analysen aus über 200 Interim-Management-Mandaten (2015-2024)
  3. Benchmark-Studien zur funktionalen Vertriebsoptimierung im deutschen Mittelstand
  4. Best-Practice-Analysen branchenübergreifender Transformationsprojekte
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