Prozessmanagement im Interim Mandat: Zwischen Tagesgeschäft und Transformation

Die doppelte Herausforderung für Executive Interim Manager

Interim Management hat sich als strategisches Instrument moderner Unternehmensführung etabliert. Unternehmen setzen erfahrene Führungskräfte zeitlich befristet ein, um Vakanzen zu überbrücken, Krisen zu bewältigen oder Transformationsprozesse zu steuern1Uffmann, K. (2013). Interim Management: Eine rechtswissenschaftliche Analyse. Mohr Siebeck..

Die besondere Herausforderung für Executive Interim Manager liegt jedoch in der parallelen Bewältigung zweier komplexer Aufgabenbereiche: der nahtlosen Übernahme des operativen Tagesgeschäfts und der gleichzeitigen Durchführung strategischer Veränderungsprozesse. Diese doppelte Anforderung erfordert ein strukturiertes Prozessmanagement, das beide Ebenen effektiv koordiniert.

Zwei parallele Prozessebenen im Interim Management

Der Erfolg eines Interim Mandats hängt maßgeblich von der professionellen Gestaltung zweier parallel ablaufender Prozessebenen ab:

Prozessebene 1: Übernahme des Tagesgeschäfts Die kontinuierliche Sicherstellung der operativen Geschäftstätigkeit bildet das Fundament jedes erfolgreichen Interim Mandats. Ohne stabile Tagesgeschäftsführung verliert das Unternehmen seine Handlungsfähigkeit.

Prozessebene 2: Prozessveränderung Parallel zur Tagesgeschäftsführung erfolgt die strategische Transformation des Unternehmens. Diese Veränderungsprozesse zielen auf nachhaltige Verbesserungen der Unternehmensperformance ab.

Die Koordination beider Ebenen erfordert systematisches Vorgehen und klare Prozessstrukturen, um Synergien zu nutzen und Konflikte zu vermeiden.

Der Mandatsprozess im Interim Management

Übernahme des Tagesgeschäfts: Drei kritische Teilprozesse

1. Fachprozess: Operative Exzellenz sicherstellen

Der Fachprozess umfasst alle operativen Tätigkeiten zur Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit. Executive Interim Manager müssen sich schnell in komplexe Fachbereiche einarbeiten und operative Verantwortung übernehmen.

Kernelemente des Fachprozesses:

    • Analyse bestehender Arbeitsabläufe und Prozessstrukturen
    • Identifikation kritischer Erfolgsfaktoren und Engpässe
    • Sicherstellung der Qualitätsstandards und Compliance-Anforderungen
    • Optimierung operativer Abläufe im laufenden Betrieb

Die Geschäftsprozessoptimierung erfolgt dabei kontinuierlich und berücksichtigt die spezifischen Anforderungen des Unternehmens. Schmelzer und Sesselmann definieren Geschäftsprozessmanagement als “integriertes System aus Führung, Organisation und Controlling zur zielgerichteten Steuerung und Optimierung von Geschäftsprozessen”2Schmelzer, H. J., & Sesselmann, W. (2013). Geschäftsprozessmanagement in der Praxis. 9. Auflage, Hanser Verlag..

2. Führungsprozess: Teams effektiv steuern

Der Führungsprozess fokussiert sich auf die Steuerung und Entwicklung der Mitarbeiterteams. Interim Manager übernehmen temporär die Führungsverantwortung und müssen schnell Vertrauen aufbauen.

Zentrale Führungsaufgaben:

    • Aufbau von Vertrauen und Glaubwürdigkeit bei den Mitarbeitern
    • Klare Kommunikation von Zielen und Erwartungen
    • Motivation und Entwicklung der Teamleistung
    • Entscheidungsfindung unter Zeitdruck

Die Führungseffektivität bestimmt maßgeblich den Erfolg des gesamten Interim Mandats. Mitarbeiter müssen die temporäre Führungskraft akzeptieren und aktiv unterstützen.

3. Strategieprozess: Zukunftsfähigkeit entwickeln

Der Strategieprozess verbindet operative Exzellenz mit langfristiger Unternehmensentwicklung. Interim Manager müssen bestehende Strategien evaluieren und weiterentwickeln.

Strategische Handlungsfelder:

    • Bewertung der aktuellen Marktpositionierung
    • Identifikation strategischer Chancen und Risiken
    • Entwicklung zukunftsfähiger Geschäftsmodelle
    • Alignment zwischen operativen Maßnahmen und strategischen Zielen

Die Integration strategischer Überlegungen in das Tagesgeschäft schafft die Grundlage für nachhaltige Unternehmenserfolge.

Prozessveränderung: Systematische Transformation

Vorbereitung der Veränderung: Analyse und Synthese

Die Vorbereitung strukturierter Veränderungsprozesse erfolgt in zwei aufeinander aufbauenden Teilprozessen:

Analyseprozess: Fundament der Veränderung Der Analyseprozess schafft die Datengrundlage für fundierte Entscheidungen. Executive Interim Manager führen systematische Unternehmensanalysen durch und identifizieren Verbesserungspotenziale.

Kernelemente der Analyse:

    • Strukturierte Ist-Analyse bestehender Prozesse und Strukturen
    • Identifikation von Gewinnpotenzialen und Optimierungsmöglichkeiten
    • Bewertung der Unternehmenskultur und Veränderungsbereitschaft
    • Analyse der Wettbewerbsposition und Marktdynamik

Syntheseprozess: Lösungskonzepte entwickeln
Der Syntheseprozess transformiert Analyseergebnisse in konkrete Handlungskonzepte. Interim Manager entwickeln maßgeschneiderte Lösungsansätze für identifizierte Herausforderungen.

Zentrale Syntheseaufgaben:

    • Entwicklung konkreter Verbesserungsmaßnahmen
    • Priorisierung von Handlungsfeldern nach Erfolgswahrscheinlichkeit
    • Design implementierbarer Lösungskonzepte
    • Erstellung detaillierter Umsetzungsroadmaps

Durchführung der Veränderung: Projektmanagement und Change Management

Die Umsetzung von Veränderungsprozessen erfolgt durch die parallele Anwendung von Projektmanagement- und Change Management-Methoden:

Projektmanagement: Strukturierte Umsetzung Das Projektmanagement gewährleistet die termingerechte und budgetconforme Umsetzung definierter Veränderungsmaßnahmen3Timinger, H. (2017). Modernes Projektmanagement: Mit traditionellem, agilen und hybriden Vorgehen zum Erfolg. Wiley-VCH.. Interim Manager fungieren als Projektleiter und koordinieren verschiedene Arbeitspakete.

Projektmanagement-Kernelemente:

    • Strukturierte Projektplanung mit klaren Meilensteinen
    • Ressourcenallokation und Budgetsteuerung
    • Risikomanagement und Qualitätssicherung
    • Kontinuierliches Projektcontrolling und Reporting

Change Management: Menschen für Veränderung gewinnen Das Change Management adressiert die menschliche Dimension von Veränderungsprozessen. Interim Manager müssen Widerstände überwinden und Akzeptanz für Neuerungen schaffen.

John Kotter identifizierte in seinem 8-Stufen-Modell die kritischen Erfolgsfaktoren für Change Management4Kotter, J. P. (1996). Leading Change. Harvard Business School Press.. Das Modell betont die Bedeutung von Kommunikation, Führung und kultureller Verankerung für nachhaltigen Wandel5Kotter, J. P. (2007). Leading Change: Why Transformation Efforts Fail. Harvard Business Review, 85(1), 96-103..

Change Management-Schwerpunkte:

    • Kommunikation der Veränderungsnotwendigkeit
    • Aufbau von Koalitionen für den Wandel
    • Schulung und Entwicklung der Mitarbeiter
    • Kulturelle Verankerung neuer Arbeitsweisen

Die Kombination aus strukturiertem Projektmanagement und menschenorientiertem Change Management maximiert die Erfolgswahrscheinlichkeit von Transformationsprozessen.

Praktische Erfolgsfaktoren im Interim Management

Parallelität optimal steuern

Die gleichzeitige Bewältigung von Tagesgeschäft und Transformation erfordert spezifische Managementkompetenzen:

  1. Zeitmanagement: Interim Manager müssen ihre Arbeitszeit effektiv zwischen operativen Aufgaben und strategischen Projekten aufteilen6Groß, H., & Bohnert, R. (Hrsg.). (2007). Interim Management: Den Unternehmenswandel erfolgreich gestalten – mit Managern auf Zeit. Vahlen Verlag..
  2. Delegation: Effektive Delegation operativer Aufgaben schafft Freiräume für strategische Arbeit. Interim Manager entwickeln ihre Teams kontinuierlich weiter und übertragen schrittweise Verantwortung.
  3. Kommunikation: Transparente Kommunikation über beide Prozessebenen verhindert Verwirrung bei Mitarbeitern und Stakeholdern. Regelmäßige Updates schaffen Vertrauen und Akzeptanz.

Kontinuierlicher Wissenstransfer

Der Wissenstransfer an interne Führungskräfte sichert die Nachhaltigkeit der Veränderungen:

  1. Mentoring: Interim Manager entwickeln potenzielle Nachfolger durch gezieltes Mentoring. Erfahrungswissen wird systematisch übertragen und verankert.
  2. Dokumentation: Strukturierte Dokumentation von Prozessen und Entscheidungen ermöglicht nahtlose Übergaben. Wissensmanagement wird zur kritischen Erfolgsbasis.
  3. Schulungen: Gezielte Schulungsmaßnahmen qualifizieren interne Mitarbeiter für erweiterte Verantwortungsbereiche. Kompetenzentwicklung wird nachhaltig gefördert.

Messbare Erfolgskontrolle

Die Erfolgsmessung erfolgt auf beiden Prozessebenen durch spezifische Kennzahlen:

  1. Operative Kennzahlen: Qualität, Produktivität, Kundenservice und Kosteneffizienz messen die Tagesgeschäftsperformance.
  2. Transformationskennzahlen: Projektfortschritt, Mitarbeiterzufriedenheit, Prozessverbesserungen und strategische Zielerreichung bewerten den Veränderungserfolg.

Erfahrungswerte zeigen, dass professionelles Interim Management messbare Verbesserungen in Profitabilität und Effizienz ermöglicht7Rybnikova, I. (2007). Interim Management: Analyse einer atypischen Beschäftigungsform für Führungskräfte. Springer Gabler..

Fazit: Interim Management als strategisches Erfolgsinstrument

Die systematische Gestaltung von Prozessen im Interim Management erfordert die parallele Beherrschung operativer und strategischer Herausforderungen. Executive Interim Manager müssen Tagesgeschäft und Transformation gleichzeitig managen, um nachhaltigen Unternehmenserfolg zu sichern.

Der Schlüssel liegt in der strukturierten Herangehensweise: Klare Prozessdefinitionen, systematisches Projektmanagement und menschenorientiertes Change Management schaffen die Basis für erfolgreiche Interim Mandate. Die Koordination beider Prozessebenen erfordert erfahrene Führungskräfte mit nachgewiesener Transformationsexpertise.

Unternehmen, die Interim Management strategisch einsetzen, profitieren von flexiblen Lösungen für komplexe Herausforderungen. Die Investition in professionelle Interim Manager zahlt sich durch messbare Verbesserungen in Profitabilität, Effizienz und Zukunftsfähigkeit aus.

Die Zukunft des Interim Managements liegt in der weiteren Professionalisierung der Prozessgestaltung und der kontinuierlichen Weiterentwicklung bewährter Methodiken. Unternehmen, die diese Potenziale frühzeitig erkennen und nutzen, sichern sich entscheidende Wettbewerbsvorteile.

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