OKR – Management mit Hilfe von Objectives und Key Results (Zielen und Schlüsselergebnissen) – verbreitet sich auch in Deutschland immer mehr. Wiewohl der Ansatz vielleicht nicht jedes vollmundige Versprechen umgehend einlöst, ist er dennoch ein hervorragendes Mittel zur Koordination sowie Involvierung und Motivierung der Mitarbeiter.

Mittel gegen Entfremdung

Ein häufiges Problem im modernen Unternehmensumfeld ist eine gewisse Entfremdung der Mitarbeiter, deren Aufgaben nicht immer kongruent mit den Unternehmenszielen sind. Man weiß natürlich, was man tut – wofür man etwas tut, ist aber häufig weniger klar. Über Jahrzehnte entstandenes Silodenken und eine wahrgenommene Trennung von den Führungsetagen, deren Vorgänge den Mitarbeitern oft nicht einsehbar sind, können eine gewisse Entkoppelung nach sich ziehen. Für das Engagement ist das suboptimal. Bei den Mitarbeitern kann der Eindruck einer Fließbandarbeit entstehen – bei der man jeweils nur einen bestimmten Ausschnitt der eigenen Wirksamkeit bewusst wahrnimmt. Viele Teams und Individuen arbeiten aber besser und motivierter, wenn ihnen ihre Wirkung greifbar ist. Das motiviert, gibt Sinn und fördert innovatives Mitdenken. Für die Organisation ist das kein leicht zu lösendes Problem.

Management-Methoden, die diese Transparenz erzeugen, können deshalb wertvoll sein. Sie zeigen den eigenen Beitrag, die eigene Wirksamkeit, nicht isoliert in einem kleinen Kreis, sondern bilden den erzeugten Wertbeitrag für das ganze Unternehmen ab. OKR stellt in diesem Umfeld ein gutes Instrument dar – das sich auch im deutschen Raum immer mehr verbreitet. Erst nur bei (damaligen) Start-ups wie Google oder Trivago zu finden, greifen inzwischen auch „normale“ Unternehmen im Mittelstand auf dieses Führungsmittel zurück. OKR kann den Mitarbeitern zeigen, wofür sie konkret (auf Ebene des Gesamtunternehmens) arbeiten. Es verbindet die eigene Arbeitsleistung mit den Leistungen des Unternehmens als Ganzem und kann so Sinn stiften und motivieren.

Aus Sicht des Unternehmens wiederum sorgt OKR dafür, dass alle an einem Strang ziehen, und die individuellen Vorhaben auch wirklich der Unternehmensstrategie zuarbeiten. Das vermeidet Redundanzen und hilft bei der Priorisierung der wirklich wichtigen Themen. OKR fokussiert damit auch Energie und Arbeitskraft.

Was ist OKR?

Zuerst ein Abriss, was OKR eigentlich bedeutet:

Objectives: Ziele – Was wollen wir/will ich erreichen?

Key Results: Schlüsselergebnisse – Wie messen wir, ob wir das Ziel erreicht haben?

Diese Fragen stellt OKR als Organisationsentwicklungs-Instrument über alle Unternehmensebenen: Was will das Unternehmen, was wollen die einzelnen Abteilungen, was will das Individuum erreichen – und wie weiß man, ob ein Ziel erreicht wurde. Diese Fragen werden zyklisch geklärt, üblicherweise auf Quartalsbasis. Die Empfehlungen reichen hier von zwei bis vier Monaten. Das heißt: Jedes Quartal definiert man eine übersichtliche Anzahl von Zielen, erarbeitet eine Möglichkeit, entsprechenden Fortschritt zu messen, und praktische Aufgaben (die Literatur nennt sie „Initiativen“), die zu diesen Fortschritten führen sollen.

Die Ziele an sich verändern sich im Vergleich zu üblichen Zielsetzungen nicht. Ziele bleiben Ziele. OKR ist kein Strategie-Tool, sondern ein Steuerungs- und Kommunikationsinstrument. Als solches will es die jeweils zwei bis fünf aktuell wichtigsten Ziele für alle im Unternehmen fokussieren und transparent machen – vom CEO bis zu den einzelnen Mitarbeitern. OKRs können sich ändern, wenn die Priorisierung dieser Ziele sich ändert ­– ohne dass die strategischen Ziele geändert werden. Die größte Bedeutung von OKR liegt in der Einbeziehung der Mitarbeiter vor allem in Veränderungssituationen.

Wie sieht OKR in der Praxis aus?

Um diese Faktoren bildlicher zu machen, ein vereinfachtes Praxisbeispiel:

Der CEO wählt für das kommende Quartal beispielsweise die drei spezifischen Zielsetzungen aus, die ihm aktuell am wichtigsten erscheinen. Weil die Anzahl der gleichzeitig möglichen Zielsetzungen sehr begrenzt ist – drei wären schon eher an der oberen Grenze – geht damit eine drastische Priorisierung einher. Nur die wichtigsten Ziele werden zu tatsächlichen Objectives. Nehmen wir an, eines dieser Ziele ist eine „Absatzsteigerung um einen gewissen Prozentsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum“ (je präziser, desto besser – mangelnde Präzision in den Objectives kann später Probleme aufwerfen).

Die einzelnen Unternehmensbereiche sehen diese für alle transparent gemachten Objectives und überlegen (selbstständig), was sie dazu beitragen könnten. Der Vertrieb etwa entscheidet, dass eine höhere Konversionsrate bei den Marketing-Leads helfen könnte. Der Vertrieb definiert daraufhin ein eigenes Ziel: „Wir wollen im kommenden Quartal die Conversion-Rate um x % relativ zu einem bestimmten Vergleichszeitraum erhöhen.“ In diesem Fall wären sogar die Key Results (KR) bzw. KPIs, die einen Erfolg greifbar machen würden, einfach zu definieren. Zuletzt setzen dann die sog. Initiativen an, konkrete Maßnahmen, die die gewünschte Entwicklung vorantreiben sollen. Für diese Initiativen gibt es jeweils konkrete Verantwortlichkeiten. Dasselbe passiert bei der Transmission der Bereichsziele/Objectives zu den persönlichen Zielen der einzelnen Mitarbeiter.

Vor allem zwei Vorteile sind im Kontext offensichtlich: Erstens werden auch die Individualziele immer noch das Oberziel verfolgen – die eigentlichen Maßnahmen dienen so immer den ganzheitlichen Unternehmenszielen – und zweitens können die Bereiche und Individuen die eigenen Zielerreichungs-Methoden selbst definieren, sind somit agiler und selbstständiger. Die eigenen Initiativen werden dort erarbeitet, geplant und umgesetzt, wo auch das größte spezifische Wissen über bestimmte Bereiche vorhanden ist: Im Bereich selbst, und nicht auf Geschäftsführungsebene. Der freie Gestaltungsraum bleibt dennoch fest mit jenen Zielen verbandelt, die die Geschäftsführung zu Beginn definiert hat.

Instrument für den Kulturwandel

OKR ist nicht dafür gedacht, das Routinegeschäft abzubilden – das machen die normalen Kennzahlen (KPIs) –, hier geht es um sichtbare Weiterentwicklung und Verbesserung. Die einzelnen Mitarbeiter wissen mit OKR, wo das Unternehmen als Ganzes hinwill. Es ist immer transparent, an welchem Teil der ganzheitlichen Unternehmensziele man eben arbeitet. Das ist wesentlich motivierender, als immer nur den eigenen Teil zu sehen, nie aber dessen Auswirkungen – und wirkt der eingangs genannten Entfremdung entgegen. Personen können sich selbst und ihre Arbeit in größeren Kontexten wahrnehmen.

Die strategischen Ziele werden top-down definiert. Jeder Bereich überlegt selbstständig, mit welchen Bereichs- oder Individualzielen das übergeordnete Ziel (OKR) unterstützt werden kann und operationalisiert das mit konkreten Aktivitäten. Das unterstützt auch einen kulturellen Wandel, fördert Verantwortung und Eigeninitiative.

Die Definierung der Ziele ist aber fordernd: Sie sollen zwar sehr anspruchsvoll, aber gerade noch realistisch sein. Das soll kreative Lösungsfindungen und innovative Ideen befördern. Henrik-Jan van der Pol gibt hierzu ein griffiges Beispiel: Wenn ein Absatz etwa von 1.000 auf 1.100 Stück erhöht werden soll, werden die Mitarbeiter ihre Zugänge nicht ändern, sondern nur inkrementell zu verbessern suchen. Wenn die Forderung aber ist, den Absatz auf 2.000 Stück zu verdoppeln, werden sie nach alternativen Möglichkeiten suchen, nicht einfach nach welchen, die ein wenig besser sind. Da man gleichzeitig nicht zu viel verlangen sollte, wäre eine derartige Vorgabe in der Praxis natürlich eine Gratwanderung. Fordern, aber nicht überfordern, ist die Devise. OKR verlangt harte Entscheidungen ebenso wie Fingerspitzengefühl. OKR erwartet dabei aber keine 100%ige Zielerreichung. Ab z. B. 70% geht man von einem Erfolg aus. Andernfalls würden sehr herausfordernde Ziele nicht unterstützt werden.

Also alles eitel Sonnenschein?

Viele Autoren stellen OKR als recht einfach einsetzbares Instrument vor. Wie die letzten Sätze schon andeuten, kann die Einführung von OKR in der Praxis aber durchaus schwieriger sein, als die vielen lobenden Artikel, die man dazu in den Medien findet, anzeigen würden. Ja, die Idee „OKR“ ist einleuchtend und sehr einfach – die Umsetzung ist es nicht unbedingt.

Bekannt wurde OKR vor allem durch seinen äußerst erfolgreichen Einsatz bei Google, wo man die Methode von frühen Tagen an bis heute einsetzt. Dieser Faktor wird oft nicht ausreichend beachtet: Also, dass Google das schon sehr lange so macht und mit diesem System großgeworden ist. Da sollte klar sein, dass die entsprechenden Zugänge inzwischen sehr ausgefeilt und effektiv sind. Die zyklische Struktur sorgt ja dafür, dass man auch zyklisch nachschärfen kann. Auch scheint Google in seiner ganzen Kultur fast schon prädestiniert für OKR, weil messbare Ergebnisse eine bedeutende Rolle spielen – und bei Google sind messbare Daten einer der Dreh- und Angelpunkte schlechthin. Mit den anfangs unerfahrenen Unternehmern und Technik-Nerds gab es deshalb schon bei der Einführung eine starke kulturelle Passung. Und die Tatsache, dass Google da noch in den Kinderschuhen steckte, machte die Adaptierung einfacher, weil quasi wenig verändert werden musste.

OKR verlangt eine Kulturänderung … und damit Vorarbeit

In einem bereits „erwachsenen“ Unternehmen ist die Implementierung schwieriger – wenn auch nichtsdestotrotz lohnend. Es müssen aber bestenfalls bereits im Vorfeld gewisse kulturelle Änderungen inkorporiert werden; und: nach der initialen Einführung muss man ein wenig Geduld haben, bis die Zugänge ausreichend verfeinert sind, um wirklich wirkungsvoll zu werden.

Hervorzuheben ist bei der Kultur beispielsweise die völlige Transparenz. Die ist absolut sinnvoll, wird aber zweifellos in vielen Unternehmen, die das bisher nicht leben, auf Widerstände stoßen (und zwar vorwiegend auf Führungsebene). Das braucht eine gewisse Vorbereitung. Auch die nahtlose Verquickung von Top-down und Bottom-up ist nicht ganz einfach zu bewerkstelligen.

Um OKR gut einzuführen, ist Vorarbeit nötig. Es macht deshalb jedenfalls Sinn, vorab gut zu prüfen, wie umfangreich die Möglichkeiten des eigenen Managements sind. Auch Google hat letztlich ja jemanden dazu geholt, der die Einführung übernommen hat. Unternehmen, die OKR einführen wollen, sollten also im Zweifelsfall entsprechende Experten an Bord holen – und sei es nur vorübergehend – um die nötigen Weichen zu stellen und bestenfalls die ersten ein, zwei zyklischen Iterationen anzuleiten.

OKR braucht eine gewisse Kultur, um gut aufgenommen zu werden. Das betrifft auch die Führungskultur. Teams müssen manchmal erst befähigt werden, eigenständig lohnende Ziele und zugehörige Maßnahmen zu definieren und diese dann auch umzusetzen. Führungskräfte müssen dies im Auge behalten und sicherstellen, dass die Bedingungen stimmen und die nötigen Kompetenzen vorhanden sind. Man denke an die oben angeführte, beispielhafte Forderung, den Absatz zu verdoppeln. Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter mit solchen Aufgaben allein lassen, werden mit Frustration rechnen müssen. Vor allem ambitionierte Ziele tragen zur Kreativität auch nur dann positiv bei, wenn bereits eine entsprechende Fehlerkultur gelebt wird. Die Unternehmen, die bereit sind, sich auf diese Herausforderungen einzulassen, können im Einsatz von OKR aber ein gutes Instrument finden, um Autarkie, Agilität und vor allem die Involvierung der Mitarbeiter im Zuge wichtiger Entwicklungsbereiche zu schaffen.

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