Agilität ist – zu recht – eines der beherrschendsten Themen der unternehmerischen und wirtschaftlichen Zukunft. Wenn Veränderung normal ist, dann ist die Fähigkeit, rasch zu handeln, eine Grundvoraussetzung für das weitere Bestehen. Aber: Agilität benötigt wesentlich mehr Struktur, als viele zu glauben scheinen. Ihre Einführung scheitert, wie auch andere Veränderungsprojekte, häufig.

„Sie wollen keine lückenlose Dokumentation mehr haben? Sie wollen auf stringente Prozesse verzichten? Sie wollen langfristige Pläne zugunsten schneller, individuell beliebiger Handlungen aufgeben? Dann ist ‚agil‘ Ihr Zauberwort! Kommen Sie mit in eine Zukunft, in der stetiger Erklärungsbedarf herrscht, und lassen Sie altertümliche Themen wie Effizienz endlich hinter sich! Gestalten Sie ein neues Team für jedes einzelne Projekt, ändern Kommunikation und Führungsstrukturen im Akkord. Willkommen in der Zukunft!“

Zitiert nach einem unbekannten (und fiktiven) Unternehmensberater.

Dieser „Werbespruch“ ist garantiert sarkastisch überhöht, schon klar. Aber Agilität ist eben nicht nur ein größerer Fokus auf Individualität, sondern auch eine gewisse Abkehr von der sequenziellen Prozessorientierung. Agilität ist nicht nur Reaktionsstärke, sondern auch eine Zurückstellung langfristiger Planungen – ohne jedoch strategische Ziele oder die Mission/Vision aus den Augen zu verlieren.

Ich will den Gedanken nicht schlecht machen – ich bin absolut überzeugt davon, dass Agilität eine wichtige Fähigkeit geworden ist. Aber wer agil sein will, muss sich in vollem Umfang auf diese Themenkomplexe einlassen. Einfach zu sagen „wir machen das ab jetzt anders“ – das kommt tatsächlich vor –, ist zu wenig. Agilität ist kein Wunschkonzert und funktioniert nur, wenn dafür einige Voraussetzungen erfüllt sind. Man kann sie nicht einfach „überstülpen“.

Die Prozesse von heute sind das Risiko von morgen

Prozesse sind für Unternehmen überlebenswichtig. Sie schaffen die nötige Effizienz, eine verlässliche und durchgehende Qualität und machen es überhaupt erst möglich, koordiniert an gemeinsamen Zielen zu arbeiten. Prozesse geben Sicherheit.

Sie können aber auch starr machen und Flexibilität verhindern, weshalb sie regelmäßig infrage gestellt werden sollten. Vor allem natürlich, wenn sich rasch viel ändern kann, wie es in der heutigen VUCA-Welt der Fall ist. Moderne Wertschöpfung muss deshalb auf anderen Prinzipien aufbauen als in der Vergangenheit: Der hohe Grad an Standardisierung, den die Industrialisierung mit sich brachte, hat unsere Unternehmen auf rigide Ablauf-Effizienz und klare Arbeitsteilungen eingeschossen.

Lange Zeit waren das die Zutaten des Erfolges. Nun wird das anders: Die digitale Transformation hat das Wirtschaftsleben wesentlich dynamischer gemacht.

Heute lebt ein Unternehmen zwar immer noch von Effizienz, der Einfluss des Menschen wird aber im Umfeld einer Arbeitsleistung, die immer mehr zu Wissensarbeit wird, wieder größer. Märkte gewinnt man nun wieder eher mit Ideen und Know-how, mit Kunden-Verständnis, mit Innovation. Nachdem einhundert Jahre lang Maschinen diese Position einnahmen, ist der Mensch wieder zum wichtigsten Erfolgsfaktor geworden.

Das wirkt sich auch auf die Organisationen und die Führungsmethoden aus. Sie müssen den Menschen ermöglichen, ihre kreative Kraft einzubringen und neue Ideen zu leben. Das Zeitalter der Maschine ist aber vielerorts noch in der Unternehmenskultur konserviert – was es den neuen Zugängen schwerer macht.

Agilität ist eine der bisher besten Antworten auf diese aktuelle Herausforderung, und kann den Weg in die neue Zeit ebnen. Das agile Manifest zeigt, worum es geht. Für viele Unternehmen wird nicht jeder der Punkte – die ja eigentlich in der Software-Entwicklung ihren Ausgang nahmen – direkt anschlussfähig sein. Die vier Grundwerte des agilen Manifests zeigen die agile Einstellung aber dennoch eindrücklich.

Was sind also die Ziele der Agilität?

Man will …

Mitarbeiter dazu befähigen, eigenverantwortlich zu handeln, und Entscheidungen zu treffen, die dem Wohle des Unternehmens in bestimmten Zielbereichen zuträglich sind.

Mehr Innovationstärke erreichen und dynamischer auf Veränderungen (des Marktes, des Unternehmensumfeldes etc.) reagieren lernen.

Die Führungsriege entlasten, damit sie sich stets den wichtigsten Punkten der Agenda widmen kann und nicht durch Standardprozeduren eingenommen wird.

Absolute Transparenz erzeugen. Jeder soll zu allen Zeiten wissen, was gerade passiert, wer wofür zuständig ist, und alle relevanten Informationen auf Abruf haben.

Dafür braucht es …

Eine umfassende und tiefgehende Kompetenzentwicklung bei den Mitarbeitern – und den Führungskräften, denn auch diese sind von den neuen Zugängen stark betroffen.

Eine passende Organisationsweise, Führungskultur und Kommunikationsmaximen.

Eine gute Fehlerkultur, die es erlaubt, etwas auszuprobieren, ohne bei etwaigen Fehlern mit Repressalien rechnen zu müssen.

Ein durchdachtes und effektives Wissensmanagement.

Und vor allem: Klare Regeln und Ziele. Man denke an die Erziehung eines Kindes: Die Anleitung zur Selbstständigkeit ist viel aufwendiger, als es einfach zur Hörigkeit zu zwingen. Dann müsste es nämlich nur zuhören und ausführen lernen. (Tatsächlich reichte das in Unternehmen bisher häufig.)

Das „agile Unternehmen“ braucht deshalb nicht weniger, sondern mehr Anleitung. Weil es wesentlich mehr zu lernen hat. Wie mein geschätzter Kollege Ralf Komor hier schon geschrieben hat: Agilität braucht klare Regeln.

Das ist ein wesentlicher Teil der geglückten Befähigung zur Selbstständigkeit. Immer wieder liest man, dass Agilität die Notwendigkeit guter Führung infrage stellen würde. Das tut sie nicht. Gerade wenn selbstständigere Arbeitsweisen Einzug halten, benötigt man ein gutes Regelwerk, einen funktionierenden Verhaltenskodex (Unternehmenskultur), klare Zielsetzungen und ausreichende Kompetenzen in vielen Bereichen. Ohne diese Elemente gerät Agilität rasch zum Chaos. Eine passende Analogie findet sich auch bei Hermann Arnold (Haufe). Er vergleicht das Konzept mit dem Straßenverkehr: Wohin jemand fahren will, kann er selbst entscheiden – es funktioniert aber nur, wenn alle sich an die Regeln halten.

Das agile Problem ist oft die tayloristische Vergangenheit

Wie gesagt: Aufgrund der aktuellen Entwicklung der wirtschaftlichen Realität sieht es sehr danach aus, dass Agilität zu einem bedeutenden Erfolgsfaktor wird/geworden ist. Schon der kleine Ausschnitt wichtiger Eckpunkte im oberen Abschnitt zeigt aber auch, dass hier sehr komplexe Felder verändert werden müssen.

Dies liegt weniger an den Prinzipien agilen Arbeitens selbst, sondern eher daran, dass der immer noch eher tayloristisch geprägte Ausgangspunkt mit den neuen Maximen in vielen Bereichen schlicht inkompatibel ist. Das zeigt sich bei der Umsetzung in der Praxis auch zumeist schnell, wenn man nicht ausreichend vorgearbeitet hat. An einigen Stellen verlangen beide Organisationsformen nahezu gegenteilige Zugänge – einfach einen durch den anderen zu ersetzen, wird deshalb üblicherweise nicht gut funktionieren. Agilität ist ein Kulturwandel und damit ein umfangreiches Change-Projekt – und sollte beim Top-Management beginnen. Der wegweisende Kulturwandel sollte schon vorab bewusst befördert werden – das betrifft wiederum nicht nur die Mitarbeiter, sondern insbesondere die Führungskräfte. Diese empfinden Agilität oft auch als Kontrollverlust.

Apropos Kontrollverlust: Die Fehlerkultur ist ein guter Gradmesser dafür, „wie viel noch fehlt“. Offenheit ist nicht so einfach, wie sie manchmal dargestellt wird. Wer offen ist, hat dafür oft eine psychologische Hürde zu überwinden – ganz zu schweigen davon, dass die geforderte Transparenz bei vielen als Kontroll-Gedanke ankommt.

Vertrauen spielt also eine wichtige Rolle. Zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, den Mitarbeitern untereinander, den verschiedenen Teams oder Bereichen etc. Leider ist es nicht immer ausreichend weit entwickelt. Man denke etwa an die häufig wahrgenommene Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten. Oder das Verhältnis von agilen und tayloristischen Unternehmensbereichen; tatsächlich werden in den meisten Fällen nur gewisse Organisationsbereiche „agilisiert“, was sehr leicht zu Spannungen führen kann.

Fakten?

Man kann dazu natürlich sagen, das sei alles Gerede – wie das unseres eingangs zitierten (aber fiktiven) Unternehmensberaters. Nun gibt es aber die – meines Wissens nach – erste Erhebung, die explizit Unternehmen untersucht, die sich eben in einer Phase der agilen Transformation befinden. Angestellt hat die Studie die Universität St. Gallen gemeinsam mit Campana-Schott.

Die Erhebung zeigt, dass auch erfolgskritische Eckpunkte in der Praxis noch gehörigen Verbesserungsbedarf aufweisen. Diesen Verbesserungsbedarf findet man wenig überraschend vor allem in der Förderung der Mitarbeiter und der Unternehmenskultur.

So zeigt sich in puncto Zusammenarbeit deutliches Potenzial nach oben: Knappe 81% der Befragten fürchten, persönlich belangt zu werden, wenn ein Fehler passiert.

„Jeder Zweite kann Probleme und Schwierigkeiten intern nicht einmal ansprechen und nur 13,9 Prozent glauben, sie können Kolleginnen und Kollegen ungefährdet um Hilfe bitten. Lediglich 30,5 Prozent fühlen sich sicher, wenn sie ein Risiko eingehen.“ (Future Organization Report 2019)

Das wirkt vor allem als Hindernis für die Innovationsfähigkeit, und gerade die sollte durch die agile Arbeit ja eigentlich verstärkt werden. Daneben: Nur ein knappes Drittel der Mitarbeiter findet sich durch die Führungskräfte „empowered“. Drei Viertel betonen, wie wichtig der weitere Kompetenzaufbau immer noch ist.

Hier zeigt sich auch, dass oft zu wenig Rücksicht auf die Rahmenbedingungen genommen wird. Eine klare Roadmap fehlt meistens, vielmehr scheint es, als würden agile Frameworks „übergestülpt“, ohne die Mitarbeiter und die vorhandene Organisationsform ausreichend zu berücksichtigen. Alte KPIs stehen weiterhin im Mittelpunkt, obwohl sie für die agile Organisation oft gar nicht passend sind, und machen es agilen Werthaltungen noch schwerer, sich einzuleben.

Ein äußerst interessantes Detail: Dass eine flachere Hierarchie sich positiv auswirkt, konnte nicht belegt werden. Wichtig sei die Zusammenarbeit, eine gute Kommunikation und eine Entscheidungsfindung auf Augenhöhe – unabhängig von der Hierarchie. Das würde etwa bedeuten, dass ein agiles Team weiterhin einen klassischen Chef haben kann. Ein recht überraschendes Ergebnis.

Trotz allem: Agilität zahlt sich aus

Was die Studie aber auch zeigt: Agiler werden zahlt sich aus. Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Agilität und Unternehmensleistung. Und trotz allem haben ca. sechs von zehn Befragten angegeben, dass sie bereits mehr oder weniger selbstbestimmt arbeiten können. (Um das nochmals in Erinnerung zu rufen: Hier wurden Unternehmen befragt, die bereits mitten in der agilen Transformation befindlich sind.)

Die besten Ergebnisse, so die Studie, könne man erzielen, wenn …

Agilität unternehmensweit eingeführt wird,

Mitarbeiter und Führungskräfte das Thema gemeinsam anlegen und entwickeln,

eine entsprechende Roadmap und neue KPIs vorhanden sind

und passende, neue Führungsprofile erarbeitet wurden.

Die Studie schließt mit der Einschätzung, „[…] dass das unternehmensweite Bewusstsein für den Transformationsprozess, das organisationale Engagement sowie das empowernde Verhalten der Führungskräfte entscheidende Erfolgsfaktoren für die agile Transformation sind.“

Fazit

Abschließend kann man also mit Sicherheit sagen: Agilität ist eine folgerichtige Antwort auf den umfassenden Wandel des Wirtschaftslebens, wie wir ihn heute jeden Tag sehen. Wir müssen aber ihre Implikationen in das Zentrum des Diskurses rücken und „Agil“ nicht mehr wie ein Buzzword behandeln.

Agilität ist keine Methode, sondern vielmehr eine Geisteshaltung. Agiler werden beinhaltet einen längerfristig angelegten Kulturwandel. Das sei auch den Unternehmen gesagt, die nach einer kurzen Versuchszeit wieder in alte Muster zurückfallen. Agilität kann man nicht einfach auf das tayloristische Prinzip aufsetzen. Sie funktioniert nur, wenn man andere Werte und Normen lebt. Das geht nicht von heute auf morgen.

Agil sein bedeutet, die eigenen Verfahrensweisen und Prozesse regelmäßig zu prüfen, eine neue Art der Verantwortlichkeitsstruktur, eine andere Führung, ein anderes Wissensmanagement und vieles mehr. Natürlich muss man irgendwo anfangen. Das Problem scheint es aber oft zu sein, dass man einfach irgendwo aufhört. Dabei soll Agilität doch auch und vor allem eines vorantreiben: Beständige Entwicklung.

Bei der agilen Transformation kann vieles schiefgehen. Es macht sich deshalb schnell bezahlt, hier erfahrene Experten hinzuzuziehen. Diese Spezialisten sollten nicht nur umfassende Change-Erfahrung an den Tisch bringen, sondern auch in Sachen Organisation und Führung sehr gut aufgestellt sein. Sollten Sie für diese wichtigen Veränderungen Unterstützung brauchen, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren. Ein transformationserfahrener Interim Manager erhöht Ihre Umsetzungssicherheit enorm.

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