Der Status quo in der Kundenkommunikation hat sich verändert. Auch im industriellen Umfeld. So gut wie alle Kunden informieren sich heute im Internet. Dabei sind sie nicht auf der Suche nach Anbietern, sondern nach Lösungen für ihre spezifischen Herausforderungen. Was bedeutet das für die Anbieter – und speziell für Vertrieb und Marketing?

Kundenkommunikation digital – the new normal

Heutige Kunden konsultieren zuerst einmal das Internet, wenn sie vor einem Problem stehen. Das sollte inzwischen allen klar geworden sein. Die Implikationen für den Vertrieb werden aber schon wesentlich seltener konsequent durchgedacht. Viele Unternehmen bemühen sich zwar, konkrete Angebote zu bewerben, und diese im Internet leicht auffindbar zu machen – aber die Leistungen oder konkreten Produkte spielen für im Internet recherchierende Kunden erstmal gar keine Rolle.

Die Kunden suchen nämlich nach Lösungen, nicht nach Produkten. Die Anbieter kommen immer öfter erst ins Spiel, wenn der individuelle Bedarf bereits zu einem guten Teil geklärt ist. Denken Sie daran, wie Sie selbst vorgehen, wenn Sie etwas nachgoogeln und sich Schritt für Schritt vorarbeiten. Die Kunden machen es genauso. Egal, ob es sich um Endkunden handelt oder die Einkäufer eines Produktionsunternehmens. Die Kundenkommunikation wird dadurch natürlich verändert.

Eine gute Perspektive auf die Kunden war niemals wichtiger

Wer gefunden werden möchte, muss anders vorgehen als das bisher oft der Fall war. Frank Hussendorfer hat das in der Sales Excellence vor Kurzem knackig formuliert: Die Kundenperspektive führt weg von der klassischen Frage, wer das eigene Produkt kaufen würde – die Preisfrage ändert sich zu „Welches Problem führt zu meiner Lösung?“1Frank Hussendörfer: Digitaler Kundendialog eröffnet neue Spielräume. In: Sales Excellence, Ausgabe 9/2021. S. 16.

Dieses Problem ist es nämlich, das gegoogelt wird, nicht die Lösung, und noch weniger die Anbieter oder konkrete Produkte. Wer möglichst früh in den kundenseitigen Suchprozess einbezogen werden und den Kundendialog frühzeitig eröffnen möchte, muss also unter Suchbegriffen auftauchen, die das Problem beschreiben.

Das hat Vor- und Nachteile. Nachteilig ist, dass wir unsere Vertriebs- und Marketingprozesse anpassen und stetig nachbessern müssen, um nah an der Suchintention der Kunden zu bleiben, die sich nicht in erster Linie für unseren Markennamen interessieren. Es geht nicht um uns, sondern um die Kunden. Der bedeutendste Vorteil: Wer eine Herausforderung frühzeitig erkennt, kann über das Internet eine wesentlich größere Zahl an Kunden als früher an die eigenen Leistungen heranführen.

Kunden digital abholen lernen

Themen rund um Suchmaschinenoptimierung, Suchmaschinenmarketing, Keywords und so weiter gehören heute in die Werkzeugkoffer jedes Vertriebes, jeder Marketingabteilung. Vorerst möchte ich hier zwei Aufgaben ins Zentrum stellen.

  1. Wie wird man als Anbieter gefunden?
  2. Sobald man gefunden wurde: Wie macht man aus Interessenten Leads?

Längst ist es auch im B2B-Umfeld unabdingbar geworden, diese Fragen beantworten zu können. Viele klassisch organisierte Vertriebe können ihre Stärken erst ausspielen, sobald sie eine direkte, persönliche Kundenkommunikation starten können. So weit muss es aber gerade heute erstmal kommen.

Wie wird man gefunden?

Dass ich hier sofort das Thema „passender Content“ anspreche, überrascht sicher niemanden. So einfach, wie es sich anhört, ist es in der Praxis aber leider nicht. Wie beschrieben: Der Content muss Hilfe oder Orientierung zu ganz spezifischen Problemstellungen leisten. Das eigene Angebot darf hier höchstens eine untergeordnete Rolle spielen. Zunächst geht es vorrangig darum, zu zeigen, dass wir das Problem kennen.

Die Keywords etc. entsprechender Inhalte sollen also möglichst genau auf das passen, was die potenziellen Kunden wirklich in die Suchmaschinen eingeben. Wenn ein Kunde eine neue Produktionsmaschine anschaffen möchte, wird er üblicherweise keinen Markennamen googeln, sondern das, was er herstellen möchte. Ein möglicher künftiger Käufer einer neuen Business Intelligence-Software wird häufig nicht spezifisch nach einer Software suchen – sondern vielleicht nach Lösungen, die keine tiefgehenden Programmierkenntnisse voraussetzen. Wenn er den Ausdruck „Low-Code“ noch nicht kennt, könnte die letztliche Eingabe eine Form wie „übersichtliche Analyse-Software für Geschäftsführer“ haben. Keine Erwähnung von „Power BI“ etc., nicht einmal „Business Intelligence“ – das Produkt, für das diese Person letztlich vielleicht zu haben wäre – kommt in der Suche vor.

Es ist also wichtig, erahnen zu können, was die Interessenten wirklich suchen werden. Je mehr man dabei in die Tiefe gehen kann, desto besser.

Auch: Sprachassistenten sind immer verbreiteter – und man geht davon aus, dass sie ihren Siegeszug gerade erst antreten.2Ohne Autorenangabe: Digitale Sprachassistenten: Anzahl der Nutzer steigt. Auf: Experten.de, August 2020. Einsehbar unter: https://www.experten.de/2020/08/digitale-sprachassistenten-anzahl-der-nutzer-steigt/ Das heißt, dass künftig mit großer Sicherheit sogar Keywords weniger wichtig werden – immer mehr Suchen werden durch natürliche Sprache initiiert werden. „Assistent, wie kann ich die Geschäftszahlen meines Unternehmens übersichtlich im Auge behalten?“ Keine Nennung des Produktes. Die wichtigen Schlagworte wären hier eher „übersichtlich“ und „Geschäftszahlen“ – aus der Nennung von „übersichtlich“ könnte man bereits weitere Schlüsse ziehen.

Gefunden! Was nun? – Gute Kundenkommunikation führt Schritt für Schritt zum Lead, zum Kauf

Wer bei passenden Suchanfragen unter den Top-Ergebnissen landet, hat viel geschafft – dies ist aber nur der erste Schritt. Kunden führen heute durchschnittlich 12 Internet-Suchen durch, bevor sie mit (digitalen) Auftritten spezifischer Anbieter interagieren.3Ohne Autorenangabe: Die Zukunft des B2B-Einnkaufs: Sind wir genug vorbereitet? Auf: Affde.com, Juli 2021. Einsehbar unter: https://www.affde.com/de/future-of-b2b-buying.html Es ist also immer noch zu wenig, wenn man nur in der ersten dieser Suchen auftaucht.

Deshalb möchte eine gute Kundenkommunikations-Strategie die Kunden im Weiteren möglichst durch die eigenen Inhalte leiten. Gehen wir zurück zu unserem Geschäftsführer, der nach einer BI-Software sucht – das aber noch nicht weiß. Er hat schlicht das Problem, dass es schwer geworden ist, sein Geschäft im Auge zu behalten. Wenn er uns als Anbieter findet, und wir ihm jetzt ein Gespräch vorschlagen, wird er sagen, dass er sich erst weiter informieren müsse. Vielleicht empfindet er das Angebot sogar als aufdringlich.

Wie wäre es aber mit einem passenden White Paper? Hierfür muss er akut keine Zeit investieren – nur etwa im Tausch gegen seine E-Mail-Adresse ein PDF downloaden. Wer in diesem PDF zeigen kann, dass er den individuellen Bedarf versteht, dessen Chance auf ein persönliches Gespräch ist gerade größer geworden. Noch immer stehen die Anforderungen des Kunden im Mittelpunkt, nicht die eigene Lösung dafür!

So versucht man, den Kontakt zu entwickeln, bis der Interessent für einen Abschluss bereit ist. Dieser Weg führt oft durch viele Kanäle. Internet-Seiten, Expertenmeinungen, Social Media-Gruppen uvm. Wer als vertrauenswürdiger Experte präsent ist, hat eine Chance darauf, dass der Kunde sich endlich direkt meldet und die Möglichkeiten mit einer echten Person absprechen möchte. Der kontaktierte Vertriebsmitarbeiter sollte dann genau wissen, welche Infos der Kontakt bereits erhalten hat, und wie dessen konkreter Bedarf aussieht. Auch der beste Internet-Auftritt ersetzt gerade bei komplexen Leistungen nicht die individuelle Beratung unter höchstmöglicher Qualität.

Inbound Marketing – die Erschließung einer Welt voller Kunden

Es ist viel Arbeit, den eigenen digitalen Auftritt, die eigenen Inhalte, Kommunikationsangebote etc. zu erstellen, auffindbar zu machen und Lücken in der eigenen Kundenkommunikation zu erkennen. (Lücken sorgen für neue Internet-Suchen und potenzielle Kontakte mit der Konkurrenz.)

Im Prinzip geht es darum, sogar einen völlig Unbekannten Stück für Stück für das eigene Angebot zu gewinnen, indem Vertrauen geschaffen wird, und die Kunden nach und nach den Eindruck bekommen, dass sie es mit jemandem zu tun haben, der ihre Probleme kennt und lösen kann.

Aber: Wenn das alles funktioniert und so eingerichtet ist, dass gute Teile dieser Prozesse automatisiert ablaufen können, dann sind damit gleichzeitig auch die Weichen gestellt, andere Interessenten, die ähnliche Probleme haben, anzusprechen. Das eigene „Einzugsgebiet“, wenn man das heute noch so nennen kann, kann dann wesentlich einfacher erweitert werden – theoretisch überall dort hin, wo ein spezifisches Problem im Internet gesucht wird. Man hat also ein effektives Inbound-Marketing aufgebaut.

„Inbound“ meint hier, dass nicht wir unsere Kunden suchen, sondern potenzielle Kunden durch die Bereitstellung guter Inhalte und Suchmaschinenoptimierung von selbst auf unsere Angebote stoßen. So kompliziert die jeweiligen Vorgänge auch sind: Eigentlich war es noch nie einfacher, eine ganze Welt von Kunden zu erreichen.

Gute Kundenkommunikation ist eine operative und strategische Herausforderung

Auf dem Weg zu diesem Ideal sind in praxi zahlreiche größere und kleinere Hürden zu überwinden. Das beginnt schon ganz am Anfang – die passenden Sucheingaben sieht nur der voraus, der umfassende Kenntnis um die Kunden und ihre Branchen hat – und zieht sich durch das gesamte Thema. Wie etwa sollen persönliche und digitale Betreuung ineinandergreifen? Was lässt sich automatisieren? Viele Kunden finden zu können, heißt auch, dass viele Kunden bearbeitet werden sollten. Können KI-Helfer unterstützen?

Weiters ist das alles auch eine Frage der internen Kultur (speziell auch der Führungskultur) und auch der Organisation. Können die Vertriebsmitarbeiter sich auf das New Normal einlassen? Das engste Kundenwissen hat der Vertrieb; wie gut ist er mit dem Marketing verbandelt, das in den meisten Fällen die Inhalte zur Verfügung stellen wird, die hierbei so kritisch sind? Nicht selten führt das zu einer Art Konkurrenzbeziehung. Vielleicht stellen sich Ihren Vertriebsmitarbeitern die Haare auf, wenn sie von Automatisierung oder Social Selling hören.

Je nachdem, wie viel des Weges bereits zurückgelegt ist, kann es sich bezahlt machen, Experten hinzuzuziehen, etwa Interim Manager, die bereits Erfahrung in diesen Belangen haben – denn hier gilt es, ein ganzes Paket an Themen optimal zu schultern. (Hier mehr zum Thema „Interim Manager im Vertrieb“.) Manchmal wird es Sinn machen, eine eigene Digital Unit einzusetzen. Gute Kommunikation ist hier auch intern nötig, um Problemherde aufzudecken.

Darüber hinaus: Umfassende Eingriffe in die bisherige Logik sollten immer einer klaren Vertriebsstrategie folgen. Wer die digitale Kundenkommunikation beherrscht, kann viel gewinnen. Es ist jedenfalls ratsam, sich tiefgehende Gedanken über die Möglichkeiten zu machen, und entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

Bild: metamorworks/Shutterstock

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Frank Hussendörfer: Digitaler Kundendialog eröffnet neue Spielräume. In: Sales Excellence, Ausgabe 9/2021. S. 16.
2 Ohne Autorenangabe: Digitale Sprachassistenten: Anzahl der Nutzer steigt. Auf: Experten.de, August 2020. Einsehbar unter: https://www.experten.de/2020/08/digitale-sprachassistenten-anzahl-der-nutzer-steigt/
3 Ohne Autorenangabe: Die Zukunft des B2B-Einnkaufs: Sind wir genug vorbereitet? Auf: Affde.com, Juli 2021. Einsehbar unter: https://www.affde.com/de/future-of-b2b-buying.html

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